VERPACKUNG VERSUS KLIMASCHUTZ: SIND VERPACKUNGEN EIN PROBLEM ODER DOCH TEIL DER LÖSUNG?

von Andrea Knura 09/01/2024
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VERPACKUNG VERSUS KLIMASCHUTZ: SIND VERPACKUNGEN EIN PROBLEM ODER DOCH TEIL DER LÖSUNG?

Verpackungen sind aus unserem täglichen Leben nicht wegzudenken. Sie begegnen uns in unterschiedlichsten Größen, Formen und Materialien. Doch sind sie wirklich notwendig? Welchen Nutzen haben Verpackungen? Welches ist das nachhaltigste Verpackungsmaterial?
Sandra Pechac, Geschäftsführerin der Plattform Verpackung mit Zukunft, gibt uns Einblicke in die oftmals komplexe Welt der Verpackungen und hilft uns sich im Verpackungsdschungel zurecht zu finden.

Welche Verpackungen haben aus Ihrer Sicht eine Zukunft?

Sandra Pechac: Das kann man leider pauschal nicht beantworten. Alle Verpackungsmaterialien haben sowohl Vor- als auch Nachteile. Das heißt, dass für jedes verpackte Produkt einzeln geprüft werden muss, welche Verpackungslösung die nachhaltigste ist. Was im Zentrum der Überlegungen stehen sollte, ist der ökologische Fußabdruck des gesamten Produktes. Im Sinne der Ressourcenschonung ist es wichtig, dass ein Produkt gut geschützt und lange haltbar ist und in bester Qualität bei den Konsument:innen ankommt. Hier haben Verpackungen jeglicher Art, von Kunststoff, über Aluminium bis Karton und Glas, eine wichtige Funktion.

Sollten Verpackungen nicht so weit wie möglich vermieden werden?

Pechac: Ja, wir sind auch der Meinung, dass jede überflüssige Verpackung zu vermeiden ist, möchten aber den wichtigen Nutzen von Verpackungen nicht außer Acht lassen. „So wenig wie möglich, soviel wie nötig.“ ist hier meine bevorzugte Sichtweise. Was auf den ersten Blick manchmal überflüssig erscheint, ist es in vielen Fällen aber nicht. Denn der Einsatz der optimalen Verpackung hat bei richtiger Entsorgung überwiegend positive Effekte auf die ökologische Bilanz eines Produktes – zum Beispiel im Hinblick auf die Lebensmittelverschwendung. Grob geschätzt halten Gemüse, Milchprodukte und Fleisch in optimaler Verpackung zwischen 10 und 25 Tage länger als unverpackte Produkte. 75% aller Lebensmittelabfälle könnten durch die richtige Verpackung reduziert werden.

Unser Tipp an Konsument:innen: Wenn man im Supermarkt einkauft und weiß, dass man bestimmte Lebensmittel innerhalb der nächsten ein oder zwei Tage verbraucht, müssen sie nicht unbedingt verpackt sein. Ist man sich über den Zeitpunkt des Verbrauchs nicht sicher, ist ein Einkauf mit Verpackung besser, denn wenn das Lebensmittel verdirbt, wäre das deutlich schlechter für die Ökobilanz. Leider ist es noch so, dass rund ein Drittel der Lebensmittel im Abfall landen.

„jede überflüssige Verpackung sollte vermieden werden. Was auf den ersten Blick manchmal überflüssig erscheint, ist es in vielen Fällen aber nicht. Denn der Einsatz der optimalen Verpackung hat bei richtiger Entsorgung überwiegend positive Effekte auf die ökologische Bilanz eines Produktes – zum Beispiel im Hinblick auf die Lebensmittelverschwendung.“
Sandra Pechac, Geschäftsführerin Plattform Verpackung mit Zukunft

Sie sagen, dass alle Verpackungsmaterialien ihre Berechtigung haben. Haben Sie konkrete Beispiele?

Pechac: Nehmen wir: Kunststoff. Er hat einen sehr schlechten Ruf, aber Kunststoffverpackungen sind beispielsweise wesentlich leichter als etwa Glas und haben daher beim Transport eine bessere CO2-Bilanz. Und die Gesamtökobilanz wird stark von den Transportwegen mitbestimmt. Je näher der Produzent räumlich bei den Endkonsumierenden ist, umso besser schneidet etwa die Glasflasche ab. Je weiter der Transportweg, umso größer die Emissionen. Eine wichtige Aufgabe von Verpackungen ist der Schutz der Produkte unter anderem beim Transport. Auch wird es kaum möglich sein, beispielsweise Eier lose in einen LKW zu verladen. In Informationsveranstaltungen mit Konsument:innen bin ich häufig mit der Frage konfrontiert, warum es immer noch Salatgurken mit dünner Plastikfolie eingepackt gibt. Diese Folie hat einen wesentlichen Nutzen. Sie verlangsamt die Zellatmung der Gurke und sorgt dafür, dass sie nicht so schnell verdirbt. Dies ist vor allem problematisch bei Gurken, die aus Südeuropa importiert werden. Durch die längeren Transport- und Lagerzeiten können unfolierte Gurken schlecht werden und müssen tonnenweise entsorgt werden. Der bis dahin entstandene Ressourcenaufwand für die verschwendeten Gurken ist eine um vielfach größere Umweltbelastung als die dünne Plastikfolie.

Was sind aus Ihrer Sicht die aktuellen Verpackungstrends (im Hinblick auf die Lebensmittelbranche)?

Pechac: Der Trend geht klar in Richtung kreislauffähigen Lösungen. Das heißt, dass zunehmend Materialien verwendet werden, die wiederverwendbar sind bzw. sich gut recyceln lassen. Dazu zählen z.B. sogenannte Monomaterialen, also Materialien, die nicht aus verschiedenen Komponenten untrennbar miteinander verbunden sind. Außerdem wird auch beim Verpackungsdesign auf Kreislauffähigkeit geachtet, sprich: erkennen Konsument:innen, um welches Material es sich handelt und in welche Tonne es zur Wiederverwertung entsorgt werden muss? Können die Maschinen in der Sortieranlage, die Verpackung den richtigen Materialströmen zuordnen? Usw.

Ein positives Beispiel für den geschlossenen Kreislauf und eine sehr hohe Recyclingquote ist die PET-Flasche. Sie wird getrennt nach Farben sortiert, zerkleinert, eingeschmolzen und daraus eine neue erzeugt – in sehr guter Qualität. Ein weiteres interessantes Beispiel in dem Bereich findet sich auch in den Supermarktregalen: Joghurtbecher aus Kunststoff, die mit einer Papierbanderole ummantelt sind. Durch die Banderole kann der Becher dünner sein. Das bedeutet, dass der Kunststoffanteil um ein Drittel reduziert werden kann. Der Kunststoffbecher bleibt unbedruckt, weiß oder transparent und ist dadurch auch einfacher zu recyceln. Deshalb ist Mülltrennung in den einzelnen Haushalten so wichtig.

Wo sehen Sie die Chancen, aber auch die Herausforderungen hinsichtlich der europäischen Verpackungsverordnung 2023 für die Lebensmittelbranche?

Pechac: Wir sehen durch die europäische Verpackungsverordnung eine grundlegende rechtliche Neuordnung des Verpackungsmarktes. Diese einheitlichen Rahmenbedingungen schaffen das Potential die Kreislaufwirtschaft weitervoranzutreiben. Die bevorstehenden rechtlichen Änderungen und dadurch anstehenden Verpflichtungen stellen Handel und Industrie gleichzeitig vor große Herausforderungen: Ab 2024 gilt in Österreich eine gesetzliche Mehrwegangebotspflicht im Lebensmitteleinzelhandel. Ab 2025 wird in Österreich ein Einwegpfand für Plastikflaschen und Getränkedosen eingeführt. Ab 2030 sollen EU-weit nur mehr recycelbare Verpackungen hergestellt werden würfen. Verpackungen, die die Ziele der Verordnung nicht erreichen, können ab 2030 nicht mehr vermarktet werden.

Gleichzeitig wird die Notwendigkeit als Wertschöpfungskette verstärkt zusammenzuarbeiten und sich auszutauschen gefördert, was wir als Plattform begrüßen und bereits tun.

Abschließend: Wer steckt hinter der Plattform Verpackung mit Zukunft und was ist Ihre Vision?

Pechac: Bei der Plattform Verpackung mit Zukunft bündeln aktuell 25 engagierte Unternehmen entlang der gesamten Verpackungswertschöpfungskette ihre Kräfte – vom Rohstoffverarbeiter bis zum Recycler, vom Verpackungs- bis zum Konsumgüterhersteller. Wir wollen die Vision von effektivem Sammeln, Trennen und Recyceln und einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft, in der kein Wertstoff verloren geht, verwirklichen. Wir sind der Überzeugung, dass eine ressourcenschonende Nutzung von Verpackungen möglich, sinnvoll und notwendig ist. Kreislaufwirtschaft muss aus unserer Sicht mehr sein als nur Recycling. Deshalb agieren wir gemäß den Grundsätzen „Replace, Reduce, Reuse und Recycle“: Verpackungen vermeiden, verbessern, wiederverwenden und recyceln.

Niemand kann die Herausforderungen, die im Zusammenhang mit Verpackungen stehen, alleine lösen. Auch wir nicht. Es braucht die Industrie, die Politik sowie die Konsument:innen. Alle Akteure spielen eine wichtige Rolle. Deshalb fördern wir den offenen faktenbasierten Austausch, arbeiten gemeinsam an zukunftsfähigen Lösungen, treiben zusammen Leuchtturmprojekte für umweltfreundliche Verpackungsinnovationen voran und geben unser Wissen weiter, wo immer es Gehör findet – auf Social Media, bei Vorträgen oder bei unseren interaktiven Pop-Up Ständen in Kooperation mit dem Handel, in Einkaufszentren oder großen Events. Denn nur wenn alle entlang der Wertschöpfungskette an einem Strang ziehen und zusammenarbeiten, schaffen wir eine funktionierende Kreislaufwirtschaft. Jede:r von uns trägt Verantwortung für eine nachhaltigere Zukunft und kann einen Beitrag leisten.