Nah&Frisch hat sehr viel vor. Geschäftsführer Hannes Wuchterl im Interview mit medianet-Herausgeber Oliver Jonke.
Es gilt, die Ortskerne wiederzubeleben und mit attraktiven Zusatzleistungen zur Erhöhung der Lebensqualität beizutragen. Hannes Wuchterl setzt auf seine engagierten Kaufleute, jeder Standort soll in mehrfacher Hinsicht profitabel sein.
medianet: Nah&Frisch behauptet sich seit vielen Jahren sehr erfolgreich auf einem wirklich heiß umkämpften Markt im LEH. Aber wie sind die Zahlen genau, wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie aktuell, wie viele Personen kommen durchschnittlich jedes Jahr dazu?
Hannes Wuchterl: Österreichweit beschäftigen unsere Kaufleute rund 2.000 Mitarbeiter, die vorwiegend in unmittelbarer Nähe des Geschäfts zu Hause sind. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zu nachhaltigen Jobs im ländlichen Bereich – kein langes Pendeln, Freizeit statt Fahrzeit für die Mitarbeiter. Die Zahl der Mitarbeiter ist über die letzten Jahre stabil, wir haben nach einigen Jahren der Netzbereinigung nun einen guten Mix an Standorten gefunden, auf dem basierend wir Nah&Frisch weiterentwickeln werden.
medianet: Wie viel Umsatz macht Nah&Frisch, mit wie viel Kaufleuten, wie viel Kunden?
Wuchterl: Umsatz ist natürlich eine wichtige Kenngröße. Unsere Kaufleute erwirtschaften einen Umsatz von knapp 300 Mio. Euro. Dies entspricht einem leichten Plus von 0,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Mit einer durchschnittlichen Verkaufsfläche von ca. 200 m2 werden pro Einkauf12,6Euro generiert. Der Durchschnittsumsatz pro Geschäft ist unter Berücksichtigung der aktuellen Anzahl an Standorten um immerhin 1,6 Prozent gewachsen. Viel wichtiger für uns als Umsatz ist aber die Wirtschaftlichkeit jedes einzelnen Standorts im Sinne unserer Kaufleute. Bei uns geht es nicht, so wie bei einem Filialbetrieb, darum, ob sich ein Standort rechnet, bei uns geht es bei jedem Geschäft um Existenzen.
medianet: Was waren aus Ihrer Sicht die Meilensteine der Unternehmensentwicklung von Nah&Frisch?
Wuchterl: Sicherlich die Gründung der Marke Nah&Frisch, wo sich Großhändler zusammenge-schlossen haben, um Kaufleuten eine gemeinsame Marke und zahlreiche Vorteile bieten zu können. Auf die Individualität der Kaufleute wird seitdem akribisch Bedacht genommen. Be- sonders im ländlichen Gebiet ist der individuelle und persönliche Kontakt zum Kunden entschei- dend; parallel dazu sollen aber Größenvorteile eines gemeinsamen Einkaufs und Marketings genützt werden können. Vor 35 Jahren hat man erkannt, dass der Markt sich durch die Filial- konzepte im LEH stark ändern würde, Kooperation wurde so- mit umso wichtiger.
medianet: Worauf führen Sie es zurück, dass Nah&Frisch so erfolgreich ist?
Wuchterl: Wir haben im österreichischen LEH die engagier- testen und besten Kaufleute und das seit Jahrzehnten. Der exzellente, persönliche Kontakt zu Kunden ist sicher der wichtigste Erfolgsfaktor.
medianet: Worum geht es Ihnen denn bei Ihrer Initiative ‚Aus ́m Dorf‘?
Wuchterl: Neben Nachhaltigkeit gibt es in Österreich ein weiteres,den Menschen sehr, sehr wichtiges Thema: Regionalität und Herkunft. Was aber regional be- deutet, wird allerdings von den Mitbewerbern nur zu oft sehr unscharf verwendet. Ausschlag- gebend ist doch in Wahrheit Lokalität, das heißt Produkte im Sortiment zu haben, die tat- sächlich aus der unmittelbaren Umgebung kommen. Aus‘m Dorf ist unsere nationale Dachmarke, unter der unsere Kaufleute ihre Produkte vermarkten können, die sie in ihrem Ort oder einer angrenzenden Nachbargemein- de einkaufen. Dies steht für die Verbundenheit mit dem Ort, die eben nur der örtliche Kaufmann haben kann. Bloße Regionalität ist mir als echtes Abgrenzungskriterium zu wenig.
medianet: Auch Nachhaltigkeit ist ein häufiger Begriff im LEH. Wie beschreiben Sie ihn?
Wuchterl: Echte Nachhaltigkeit bedeutet für mich ‚in der Nähe mit den Menschen, möglichst ressourcenerhaltend zusammenleben‘, d.h. nicht nur lokale Produkte und damit verbunden kurze Transportwege, sondern auch Mitarbeiter aus dem nahen Einzugsgebiet. Gemeinsam mit Kunden für einen nachhaltigen Einkauf sorgen. Wussten Sie, dass Kunden zu Nah&Frisch deutlich häufiger zu Fuß einkaufen gehen als zu anderen? Es ist aber auch die Rolle als Arbeitgeber im Ort oder die Möglichkeit, eine Lehre in meinem Ort zu ab- solvieren, gemeint.
medianet: Nahversorgung ist Ihr Steckenpferd. Welche Trends sehen Sie hier voraus, wie wer- den Sie diesen begegnen?
Wuchterl: Ich glaube, Nahversorgung wird sich in den nächsten Jahren neu definieren müssen. Heute ist es ein Lebensmittelgeschäft mit Vollsortiment; in der Zukunft wird es mehr Funktionen übernehmen müssen, die andere Dienstleister nicht mehr anbieten können. Ich denke dabei an Post, Tabak, Putzerei, aber auch an Möglichkeiten, sich im Ort zu treffen. Der soziale Aspekt wird immer wichtiger werden. Das Wirtshaussterben wird zwar oft besprochen, es wandern allerdings auch viele andere, wichtige Leistungen von den Ortskernen ab. Nah&Frisch- Kaufleute übernehmen gern diese Aufgaben, die zur Aufwertung der Ortskerne beitragen.
medianet: Wie entwickelt sich das Convenience Shop-Konzept ‚Nah&Frisch punkt‘ bei Tankstellen?
Wuchterl: In diesem Segment haben wir ordentlich zugelegt und sind nun von 21 auf 26 Standorte angewachsen, obwohl genau dies ein sehr umkämpfter Bereich ist. Im wahrsten Sinne des Wortes punkten wir hier damit, dass wir nicht jeden ruinösen Preiskampf mitmachen, sondern mit fairen Preisen und guter Qualität für Zufriedenheit bei unseren Partnern in der Mineralölbranche und vor allem bei den Kunden sorgen. Ich gehe davon aus, dass dieses Konzept 2019 für weitere Expansion in diesem Bereich sorgen wird – übrigens nicht nur an der Tank- stelle. Mittlerweile hat auch die ÖBB Nah&Frisch punkt als Partner für das Konzept des Bahnhofgreißlers entdeckt. Aktuell betreiben wir mit den ÖBB drei Bahnhofsgreißler in Hollabrunn, Melk und Mistelbach.