Peter Tichatscheks Gedankensalat

von Andrea Knura 29/04/2019
Warengruppen
Obst & Gemüse
Peter Tichatscheks Gedankensalat

Einfach nur dasitzen und über Obst und Gemüse nachdenken – soviel Zeit muss sein.

Ich sitze im nördlichen Waldviertel auf einem klapprigen Holzbankerl am Waldrand - daneben einer Streuobstwiese. Es hat deutlich über 30 Grad. Das kleine Lüfterl, das zwischen den Fichten herausweht, bewegt das Kornfeld vor mir. Gedanken poppen wie Sprechblasen auf:
Was muss Obst und Gemüse „können“ damit ich es gerne kaufe und esse? Kaufe ich ein, ohne Bedingungen zu stellen?
Nein! Bedingung 1 poppt am Horizont auf: Mein Obst/ Gemüse soll aus Österreich sein. Bedingung 2: Mein Obst/ Gemüse soll am besten biologisch angebaut sein. Bedingung 3: Mein Obst/ Gemüse soll reif sein. Bedingung reihte sich an Bedingung. Und dann stand da am Waldviertler Horizont das Wort „Selbstversorger“
Ein hehrer Gedanke. Schon während dem Versuch die nötigen Quadratmeter für so ein Unterfangen zu berechnen, knurrte mein Magen. Nach einem kurzen Gedanken an den Aufwand und mein fehlendes Know How als Obst und Gemüsebauer, war der Schriftzug „Selbstversorger“ auch schon wieder weg.
Also auf zum nächsten Wochenmarkt.
Brot, Milchprodukte, saisonales Gemüse und frisches Obst, das nehme ich alles mit und bin glücklich. Ich habe mit den ProduzentInnen geplaudert und sehe dank App auf der Apfelsaftflasche, den roten Jungfernapfelbaum (Chrysofsker) auf seiner Wiese stehn. www.wildfrucht.at
Nur Paradeiser vulgo Tomaten waren aus. Ausgerechnet! Was schon die Azteken in Ihre Hochkultur aufnahmen, ist eben auch der Österreicher liebstes Fruchtgemüse.
Ist Verknappung also die Lösung? Muss es immer alles und zu jeder Jahreszeit geben?
„Popp“, die nächste Sprechblase erscheint: Ja – muss es! Ich liebe Paradeiser/Tomaten und will schließlich heute Abend einen Salat oder eine schnelle Pasta und nicht erst kommende Woche. Kein Vorwurf an die Marktstandler, sondern der Lauf der Zeit. Mehr Menschen – mehr Bedarf an Obst und Gemüse.

Die heimischen Großbetriebe tun ihr Bestes um die Nachfrage zu bedienen. Daran sind aber dann auch Bedingungen geknüpft.
„Popp“, „popp“ „popp“…. Sechs Äpfel müssen in die Tasse passen, dürfen nicht zu groß oder klein sein, sonst funktioniert das beim Verpacken und Liefern nicht. Stichwort EU Normgurke. Gemüse muss immer verfügbar sein - schön gewachsen, reif und leistbar. So ein mehrere 10.000 Quadratmeter großes, klimaschonend klimatisiertes, perfekt bewässertes, schädlingsfreies Glashaus, bewirtschaftet man auch nicht mal so nebenbei. Da steckt schon verdammt viel know how und Unternehmergeist dahinter. Bedingungslos geht da nix.

Die Mischung macht´s.
Der Gemüse - Selbstversorgungsgrad Österreichs liegt bei ca. 60 Prozent. Hunderttausende Tonnen Gemüse müssen importiert werden. Ob wir den CO2 Abdruck und den Geschmack akzeptieren, dafür sind wir Konsumenten ganz allein verantwortlich.
Spitzenköchin Lisl Wagner Bacher (Landhaus Bacher/Mautern/NÖ) sagte einmal zu mir: „Hin und wieder wollten Gäste schon im Februar Spargel essen. Einige waren dann etwas pikiert, weil ich Ihnen den Wunsch nicht erfüllen konnte und wollte.“
Wir entscheiden also was wir essen und können die wertvolle, kleinteilige Landwirtschaft in Österreich unterstützen. Die Vielfalt der Menschen, die sich tagtäglich um ehrliche Lebensmittel kümmern, gewährleisten die Vielfalt der Sorten und Arten in unserem Land. Das macht das Genussland Österreich erst aus. Die Tomaten für meinen heutigen Salat kommen also aus dem Supermarkt, der Rest vom Direktvermarkter.
„Popp“: Die letzte Sprechblase poppt am Waldviertler Horizont auf.
Die Mischung macht´s - und neben mir fällt ein knackig, frischer Klarapfel vom Baum.