Dr. Jane Goodall im Interview auf der Biofach 2020

von Andrea Knura 18/02/2020
News
Nachhaltigkeit
Dr. Jane Goodall im Interview auf der Biofach 2020

Vom 12. – 15. Februar 2020 versammelte sich anlässlich der Biofach, Weltleitmesse für Bio-Lebensmittel, und Vivaness, Internationale Fachmesse für Naturkosmetik, wieder die internationale Bio- und Naturkosmetik-Branche in Nürnberg. Dr. Jane Goodall, Dame Commander of the Order of the British Empire (DBE), Primatenforscherin, Umweltaktivistin und UN-Friedensbotschafterin im Interview über ihr Engagement, ihre Ziele und was jetzt für den Planeten getan werden muss. 

Sie widmen Ihre gesamte Energie dem Schutz der Natur und der Umwelt, und Sie unterstützen Projekte, in denen es um Artenvielfalt, Aufforstung und die Wiederherstellung natürlicher Lebensräume geht. Was sind Ihre wichtigsten Ziele für die bei der Biofach anwesende globale Community für Bio-Lebensmittel?

Ich glaube, die wichtigsten Ziele für die heutige Landwirtschaft sind einerseits die Abkehr von der modernen industriellen Landwirtschaft, von Monokulturen, intensiver Viehhaltung und Gentechnik sowie andererseits die Hinwendung zu nachhaltigen Methoden, Bioanbau, kleinen Betrieben und anderen Ansätzen, um MIT der und nicht GEGEN die Natur zu arbeiten.
Es geht darum, unsere Böden wiederzubeleben, die über viele Jahre hinweg durch chemische Düngemittel, Pestizide und Herbizide zerstört wurden; Biodiversität wiederherzustellen, die durch die industrielle Landwirtschaft verloren ging; Lebensräume für bestäubende Insekten zu schaffen sowie weltweit für eine pflanzliche Ernährung zu werben.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Schritte, um Artenvielfalt und das Überleben der Arten auf unserem Planeten zu schützen, und was kann getan werden, um die Beziehung zwischen uns Menschen und der Natur zu verbessern?

Wie anfangs bereits erwähnt, müssen wir uns unbedingt von der industriellen Landwirtschaft verabschieden und die durch den Missbrauch mit Agrarchemikalien ausgelaugten Böden wiederbeleben. Wir müssen die Artenvielfalt wiederherstellen, die für eine gesunde Umwelt sorgt. Das kann nicht gelingen, solange wir weiterhin unsere Felder vergiften. Wir müssen neue Bäume pflanzen, Wälder und Waldgebiete sowie Moorflächen aufforsten.

Um dieses große Projekt zum Erfolg zu führen, brauchen wir eine neue Denkhaltung, und es ist wichtig, die Jugend einzubeziehen. In meinem „Roots & Shoots“-Programm arbeiten wir in 60 Ländern mit jungen Menschen aus allen Altersgruppen zusammen – vom Kindergarten bis zur Universität und natürlich auch in Deutschland. Von den etwa 150.000 verschiedenen Gruppen bauen viele Biogemüse im Schulgarten an und sie legen Schmetterlingsgärten an. Sie wollen in und über die Natur lernen – denn wer nichts versteht, dem ist alles egal, und von solchen Menschen ist keine Hilfe zu erwarten –, und wir alle müssen dazu beitragen, um den von uns angerichteten Schaden wieder in Ordnung zu bringen. Wir brauchen die Natur, von ihr bekommen wir saubere Luft und Wasser – und dabei geht es nicht nur um den Schutz der Tierwelt, sondern um den Fortbestand unserer eigenen Spezies.

Der wahrscheinlich wichtigste Aspekt ist, dass wir verstehen müssen, dass jeder Einzelne von uns jeden Tag einen Unterschied macht. Und diejenigen von uns, die das Glück haben, nicht in Armut zu leben, können entscheiden, welche Art Unterschied sie machen wollen. Wir können beim Kauf eines Produkts nachfragen: Woher kommt das, hat es der Umwelt geschadet, haben Tiere dafür gelitten, stammt es aus Kinderarbeit? Deshalb müssen wir die Armut bekämpfen: Wenn du arm bist, fällst du in deiner Verzweiflung den letzten Baum, fängst den letzten Fisch – Du BIST GEZWUNGEN das zu tun, weil Du überleben willst. Wir müssen lernen nachhaltiger zu leben, und einen möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck hinterlassen. Und zuletzt geht es auch um das Thema Bevölkerungswachstum. Wir müssen dafür sorgen, dass sich die Menschen bewusst für weniger Kinder, kleinere Familien entscheiden…bevor es zu spät ist.