Unsere Sehnsucht nach Heimat lässt uns gern zu regionalen Produkten greifen. Doch kann man sicher sein, dass wo regional drauf steht, auch regional drin ist?
Der Paradeiser aus dem Glashaus in Spanien ist nicht regional. Daran gibt es keinen Zweifel. Sie wissen schon, der ewige Transport, das klimaschädliche Co2 und so weiter. Doch was ist mit dem Tiroler Speck? Ist der ein regionales Produkt? Und wenn ja, warum? Weil er aus Tirol kommt? Könnte man meinen, doch ganz so einfach ist es nicht. Wer strenge Maßstäbe setzt, für den lautet die Antwort: Um das Attribut “regional” wirklich zu erfüllen, müssen die Schweine in Tirol bzw. im entsprechenden Umkreis des jeweiligen Produktionsorts mit lokal erzeugten Futtermitteln oder europäischem Soja gezüchtet werden. Ihr Fleisch muss dort zu Speck verarbeitet, und der in Tirol vertrieben werden. Das bedeutet auch: Wer in Wien Tiroler Speck erwirbt, kauft eine Spezialität aus einer bestimmten österreichischen Region, aber kein regionales Produkt. Genauso gilt: Ein Paradeiser aus dem burgenländischen Seewinkel ist in Wien ein regionaler Paradeiser, in Tirol aber nur ein Paradeiser aus einer Region. Gesetzlich festgelegt sind diese Kriterien allerdings nicht, definiert wurden sie bisher nur von NGOs, wie beispielsweise Global 2000.
Geograpische und inhaltliche Grenzgänge
Weil der Begriff Region also nicht gesetzlich geschützt ist, ist auch nirgendwo festgeschrieben, was genau „regionale Produkte“ sind. Daher kann jeder Händler oder Hersteller seine eigenen Regeln aufstellen und 30, 50 oder auch 100 Kilometer Entfernung als regional ansehen. Regional kann einen Ort meinen, ein Bundesland, oder einen Kulturkreis. Der Lebensmitteleinzelhandel übersetzt regional auch gern mal mit “aus Österreich”.
Richtet man sich allerdings nach Umfragen und bestehenden Initiativen, sind die sich dann doch relativ einig: etwa 50 Kilometer gelten hier als Grenze, um als Produkt noch regional zu sein. Wobei da dann auch noch die Produktionswege eine Rolle spielen. Mal angenommen, ein Produzent kann seine Rohstoffe fünf Kilometer entfernt beziehen, dann ist das sinnvoller, als der Einkauf bei einem Lieferanten am anderen Ende der Region.
Wann ist ein Sugo regional?
Und wie verhält sich die Sache bei verarbeiteten Produkten? Etwa bei einem Sugo aus unseren Seewinkler Paradeisern. Darin findet sich neben heimischen Kräutern auch noch italienisches Olivenöl. Diese Zutat braucht es, regional gibt es sie aber nicht. Ist das Sugo dann noch regional? Auch da gibt es keine klare Richtlinie. In Anlehnung an das Bio-Siegel wäre aber ein Prozentsatz von 95 Prozent regionalen Erzeugnissen wünschenswert. Das wäre bei unserem Sugo gegeben, bei anderen verarbeiteten Produkten aber nicht. Denn, dass Rohstoffe, Erzeugung und Vermarktung aus einer Region kommen, ist häufig eine idealistische Vorstellung. Oft liegt schon der Produktionsort nicht in der Region, ganz zu schweigen von Vertrieb oder Marketing. Und manchmal begegnen einem sogar Lebensmittel, die als regional gekennzeichnet sind, nur weil sie in der Region verpackt wurden – gern ist das etwa bei Kaffee der Fall. Das ist ein klarer Fake. Regionalität betrifft den gesamten Wertschöpfungsprozess, soll das Bruttoregionsprodukt erhöhen, Arbeitsplätze in der Umgebung sichern und dem Bauernsterben aktiv entgegenwirken.
Über die Glaubensfrage
Eine regionale Fälschung zu erkennen, wird aber immer schwieriger. Denn hinter werblichen Begriffen wie „Region“, „Nähe“ oder „Heimat“ stecken sehr unterschiedliche, für uns nicht erkennbare Inhalte. Und wer will bei Sachen des täglichen Bedarfs schon umfangreich recherchieren. Oft reicht uns deshalb auch schon das Etikett, sagt Hans-Georg Häusel, Marketing-, Verkaufs- und Management-Hirnforscher. Warum, ist auch klar: „Der Wunsch nach heimatlicher Geborgenheit ist eine tiefe Sehnsucht im Menschen. Regionale Produkte bedienen sie.“ Gleichzeitig suggerierten sie Sorgfalt, Echtheit und unverdorbene Ursprünglichkeit. „Im Gegensatz zu „kalten“, industriell gefertigten Lebensmitteln, die mit minderwertigen Zutaten, Profitgier und globalen Konzernen assoziiert werden.“ Wie die regionalen Produkte tatsächlich hergestellt würden, spiele keine Rolle – „Es reicht der Glaube“. Wem der Glaube aber doch nicht ganz reicht, der ist am Bauernmarkt oder beim Direktvermarkter auf der sicheren Seite. Wobei regionale Produkte für sich allein nicht zwingend eine Öko-Alternative zu nicht regionalen Produkten sind. Ihr volles ökologisches Potenzial können sie nämlich erst im Zusammenhang mit Saisonalität und Bio-Landwirtschaft ausschöpfen. Unser Seewinkler Paradeiser? Wäre nur dann auch saisonal, wenn er aus dem Freiland oder einem unbeheizten, geschützten Anbau im Folientunnel oder Gewächshaus stammt. Aber das ist eine andere Geschichte.
Was ist Regionalität? Regionalität verweist einerseits auf die Herkunft von Lebensmitteln (z.B. Wachauer Marillen), andererseits auch auf den Absatzmarkt („dieses Produkt kommt aus meiner Region“). Als Region gilt dabei ein nationaler oder ein mehrere Staaten übergreifender Teilraum – also zum Beispiel ein Bundesland, ein Natur- oder Landschaftsraum (z.B. Wachau, Seewinkel) oder eine kleinere Raumeinheit mit kulturell-historisch verbindendem Hintergrund (z.B. das österreichisch-schweizerische Rheintal). Regionale Produkte sind in letzter Konsequenz solche mit klar geregelter geographischer Herkunftsidentität aus einer Region (z.B. Vorarlberger Bergkäse, Seewinkler Tomaten,…) die nur mit Rohstoffen aus derselben Region produziert und verarbeitet werden, die in dieser Region lokal abgesetzt werden.