Der alljährliche Sturm auf’s Gansl hat begonnen. Aber Vorsicht: Der Vogel auf Ihrem Teller könnte noch immer auch aus Stopfmast oder Lebendrupf sein.
Das Gansl. Man kommt nicht mehr vorbei an ihm. Schließlich naht Martini in großen Schritten. Und ehrlich gesagt, läuft allen Nicht-Veganern, Jeganern und Vegetariern im Normalfall schon alleine beim Gedanken daran das Wasser im Mund zusammen. Allerdings könnte einem der gesegnete Appetit auch schnell wieder vergehen, wüsste man immer, was man da so am Teller liegen hat. Speziell, wenn man im Restaurant so einen Vogel bestellt. Wäre manche Speisekarte wahrheitsgetreu, würde dort nämlich stehen: “Darf’s ein halbes Stopfmast-Gansl mit Rotkraut und Knödel sein?” Trotz der quasi täglich eingebrachten Forderung, muss die Gastronomie noch immer nicht über die Herkunft und die Haltung der geschlachteten Tiere informieren.
Aber ist die Gefahr, Fleisch aus Stopfmast oder Lebendrupf vorgesetzt zu bekommen, wirklich so groß? Ja. Denn auch wenn in Österreich diese tierquälerischen Praktiken verboten sind, darf Fleisch von so gehaltenen Tieren importiert werden. Der österreichische Tierschutzverein spricht davon, dass über 80 Prozent der sich in Österreich einverleibten Gänse die gesetzlichen Qualitätsstandards nicht entsprechen. Doch braucht es die Gans aus dem Ausland überhaupt? Gute Frage: 2018 lag der Selbstversorgungsgrad in Österreich bei lediglich 24 Prozent; drei Viertel des in Österreich verzehrten Gänsefleisches werden also importiert. Dabei haben wir im Schnitt 2018 nur 0,1 kg Gänsefleisch pro Kopf gegessen. Dennoch wurden zuletzt gesamt 1.834 Tonnen an Gänsefleisch importiert, 534 Tonnen produziert und davon ein geringer Teil, nämlich 185 Tonnen, exportiert. Importiert werden Gänse hauptsächlich aus Ungarn, gefolgt von Deutschland, Dänemark, Polen und Frankreich. Gänse, die von dort kommen, haben in der Regel noch nie eine Weide gesehen. Sie sind so genannte Schnellmastgänse aus Intensivhaltung, die gerade einmal zehn Wochen leben und drei Kilo haben. Doch das ist noch nicht genug: Weil sie so rasant wachsen, ist auch noch das Fleisch-Fett-Verhältnis ungünstig. Glücklicher Weise ist heute schon vielen klar: Preise um die 10 Euro für eine Gans im Discounter sind quersubventioniert – durch tierquälerisch erzeugte Daunen und Stopfleber.
Bis diese Gans im Kühler landet, wird sie bei lebendigem Leibe gerupft, in der Regel vier Mal. Zum Stopfen muss man nicht mehr viel sagen. Den Tieren wird jeden Tag ein 50 cm langes Metallrohr gewaltsam in den Hals gestoßen, durch das ihnen 800 bis 1.000 Gramm Maisbrei in den Magen gepumpt wird. Umgerechnet auf den Menschen entspricht das einer Menge von zweimal sieben Kilo Spaghetti am Tag. Dabei schwillt die Leber der Tiere auf das Zehnfache ihres normalen Gewichts an. Bilder davon ersparen wir Ihnen. Dass Lebensmittelanalytiker wie Norbert Helle in Mastgänsen aus Polen und Ungarn regelmäßig ungute Keime wie Staphylokokken finden, wundert da nicht mehr. So weit, so klar. Aber wie ist es in Restaurants? Welche Chance auf Information über die Herkunft und Haltung der Tiere hat man da? Um mal ehrlich zu sein, kaum eine, wenn es nicht schon freiwillige Angaben gibt. Was kann man trotzdem tun? “Schon bei der Reservierung nachfragen“, rät Vier Pfoten-Kampagnenleiterin Martina Pluda. Die sagt aber auch: „Sollte über Website oder sonstige Informationen des Lokals nichts über die Bedingungen der Tierhaltung und -herkunft bekannt sein, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es sich um Tierqual-Fleisch handelt.”
Umgekehrt werben manche Restaurants selbst mit Gänsefleisch aus Bio-Haltung bzw. aus Österreich. Vier Pfoten empfiehlt übrigens das Label „Österreichische Weidegans“. Es garantiert, dass es sich um heimische Tiere handelt, die nicht gestopft und gerupft wurden. Zurück kam die Weidegans 1992 nach Österreich. Und zwar in die Region Mühlviertler Alm. Dort startete ein Bauer mit 100 Tieren in Kooperation mit der oberösterreichischen Landwirtschaftskammer den ersten Versuch, die Gänsehaltung wieder auf die Bauernhöfe zu bringen. Das Projekt wurde so erfolgreich, dass heute 270 Bauern österreichweit jährlich rund 48.000 Weidegänse verkaufen. Und wie viel Platz haben die? Sehr viel. 100 Weidegänse tummeln sich auf einem Hektar, gesetzlich sind pro Gans nur 10 Quadratmeter Auslauf vorgeschrieben. Wir empfehlen dieses Label übrigens auch. Wenn Sie Ihre Gans lieber selbst in den Ofen schieben, dann werden Sie bei uns fündig.
“Herrenspeise”
Ursprünglich galten Gänse als “Herrenspeise”. Das begehrte Geflügel wurde meist aus dem burgenländischen Seewinkel nach Wien geliefert. Speziell am Martintag, dem 11. November, mussten die Bauern ihre jungen Gänse an die Herrschaften abliefern. Nachdem der Adel den Verzehr von Frischfleisch nie hinauszögerte, entstand die Tradition des “Martinigansl-Essens” an diesem Tag. Das Burgenland war die größte Gänseweide der ehemaligen Donaumonarchie. Noch in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts hat man im Seewinkel teils die Weiden vor lauter Gänsen nicht erkennen können.
Sie wollen noch mehr über die österreichischen Weidegänse wissen?
Bitteschön: https://bauernladen.at/artikel/tierwohl/gans-artgerecht/