DAS WIRD KEIN ABGESANG AUF DAS STERNBRÄU, großes Ehrenwort! Erstens sind schon viel zu viele Geschichten geschrieben worden, in denen das „Aus“ für die legendäre bierkulturelle Institution in Rankweil beklagt worden ist. Und zweitens geht es ja doch weiter, irgendwie.
Vorläufig im Engel, ein paar Kilometer nördlich vom bisherigen Standort: In Götzis hat Gunther Wetzel kürzlich ein Gasthaus übernommen, das viele historische Parallelen mit dem Sternbräu (und inzwischen sogar dieselbe Webadresse) aufweist. Auf der Website www.sternbrauerei.com wird man in der „kleinsten Brauerei Österreichs“ willkommen geheißen – und das passt auch irgendwie, obwohl weder im Stern noch im Engel in den letzten Jahren gebraut worden ist.
Immerhin war das Gasthaus Engel bis in die 1920er-Jahre eine Brauerei – eine von dreien, wie es eben seinerzeit auch in Rankweil drei Brauereien gegeben hat. Und in vielen, vielen anderen Gemeinden Vorarlbergs.
Und wie viele dieser anderen Kleinbrauereien waren auch das Sternbräu und die Engelbrauerei in einem alten Gasthaus untergebracht – als Reaktion darauf, dass sich der Weinbau in Vorarlberg im 19. Jahrhundert immer weniger gelohnt hat. So wurde das Ländle zum Bierland, im Jahr 1880 zählte man 72 Braustätten. Ein Jahr später kam eine dazu, die noch heute besteht, aber eine ganz andere Geschichte hat: Es ging um das Großprojekt einer Bahn, die England mit Ägypten (oder in heimatlicher Bescheidenheit: das Rheintal mit dem Inntal) verbinden sollte. Der etwas über zehn Kilometer lange Arlbergtunnel war damals die größte Baustelle der Monarchie – und weil Bauarbeiter durstig sind, waren sie die erste Zielgruppe für die Fohrenburger Brauerei. Ferdinand Gassner, ein damals 38 Jahre alter Unternehmer, hatte diese Zielgruppe im Auge – und errichtete (in Nachbarschaft einer Badeanstalt und Gastwirtschaft, die schon damals „Fohrenburg“ genannt wurde und heute die Brauereigaststätte beherbergt) seine Bludenzer Braustätte.
NATÜRLICH WAREN ES NICHT NUR DIE ARBEITER der Arlbergbahn, die das neue Bier so erfolgreich machten: Als die Bahn 1884 fertig war, war sie der ideale Transportweg von Bludenz ins Rheintal. Und natürlich konnte sich Vorarlberger Bier durch den Tunnel auch seinen Weg nach Osten bahnen.
Das war schon ein Auftritt, der einer modernen Brauindustrie würdig war! Viele Wirte gaben damals das Brauen in Hausbrauereien auf, da ihnen das im Großbetrieb hergestellte Bier konstantere Qualität, mehr Umsatz und mehr Gewinn versprach.
Das war das Prinzip der Industrialisierung der Brauwirtschaft – ein weltweit erfolgreiches Konzept, bei dem nach und nach wenige globale Player übriggeblieben sind. Der Barth-Bericht, den das Hopfenhandelshaus BarthHaas jährlich herausgibt, hat zum Stichtag 31. Dezember 2019 die 40 größten Brauereigruppen der Welt aufgelistet – diese 40 Unternehmen stellen 90 Prozent aller Biere der Welt her.
IN DER LISTE FINDEN SICH SO BEKANNTE NAMEN wie Heineken, dessen 12,6-prozentiger Weltmarktanteil sich allerdings nicht nur aus der Hauptmarke Heineken, sondern auch aus hierzulande weniger bekannten Marken von A wie Amstel (aus den Niederlanden) über B wie Bukavo (Kongo), C wie Calanda (Schweiz) und so weiter bis Z wie Zywiec (Polen) zusammensetzt. In Österreich läuft das Geschäft unter dem Dach der BrauUnion Österreich, auch hierzulande ist das Angebot breit: Gösser, Zipfer, Puntigamer, Wieselburger und Schwechater sind geläufige Namen, Edelweiss und Kaltenhausener gehören ebenfalls dazu – und ab der Statistik 2020 dürfen dann auch einige Hektoliter aus der Fohrenburg-Brauerei zu den mehr als 240 Millionen Hektolitern des niederländischen Konzerns dazugerechnet werden. Zum Vergleich: Alle österreichischen Brauereien, vom kleinsten Brewpub bis zur Millionen-Hektoliter-Konzernbrauerei haben im Jahr 2019 rund 9,9 Millionen Hektoliter gebraut – konzernweit braut Heineken also etwas mehr als das 24-fache des österreichischen Bierausstoßes.
Dabei rühmt sich Österreich ja, ein besonders bedeutendes Bierland zu sein. Das stimmt bezüglich seiner hoch entwickelten und auch durch die Corona-Krise nicht umzubringenden Bierkultur; es stimmt auch bezüglich des Pro-Kopf-Verbrauchs, bei dem die Österreicher mit 103,2 Litern nach den Tschechen (unglaubliche 142 Liter) weltweit auf dem zweiten Platz liegen. Aber Österreich ist eben auch ein relativ kleines Land – in Deutschland, das europaweit am meisten Bier braut, wird mit 91,6 Millionen Hektolitern fast zehnmal so viel Bier hergestellt (und getrunken) wie bei uns. Im Europavergleich liegt die österreichische Bierproduktion an 13. Stelle, weltweit überhaupt nur auf Platz 32.
Und das ist noch gar nichts im Vergleich zu den wirklich großen Bierländern: Seit mehr als zehn Jahren hat China den ersten Platz – auch wenn dort der ganz große Bier-Boom vorbei sein dürfte, wurden dort 2019 immer noch 376,5 Millionen Hektoliter gebraut, also gut eineinhalb mal so viel wie Heineken weltweit gebraut hat. Aber es gibt eben auch sehr viele Chinesen; und sehr viele der Biere, die man im Reich der Mitte trinkt, kennt man hierzulande nicht. Wer hat etwa schon von der China Resources Brauerei und ihren Snow-Bieren gehört? Das ist immerhin der drittgrößte Konzern der Welt (114,3 Millionen Hektoliter, sechs Prozent des Weltbierausstoßes), knapp vor den Dänen von Carlsberg (112,5 Millionen Hektoliter) und deutlich vor der US-kanadischen Gruppe Molson-Coors (92,7 Millionen Hektolitern) und der Tsingtao-Brauerei (80,5 Millionen Hektoliter), deren gleichnamiges Bier ab und zu auch bei uns in Österreich auftaucht.
DER ABSOLUT GRÖSSTE PLAYER AUF DEM WELTMARKT ist mit 29,3 Prozent AB Inbev. Nie gehört? Aber Beck‘s und Löwenbräu, Franziskaner und Spaaten, Hoegaarden und Leffe, Tripel Karmeliet und Jupiler, Carlton und Labatt – das ist einem doch schon einmal untergekommen, oder? Alles aus jenem Weltkonzern, der im Jahr 2008 aus der belgischen Interbrew-Gruppe, dem brasilianischen Konzern Ambev und dem US-Marktführer Anheuser-Busch hervorgegangen ist.
Im Portfolio dieses Braugiganten befindet sich übrigens auch die Marke Corona Extra, über die während der Covid-19-Pandemie viele Scherze gemacht wurden. Tatsächlich hat die Corona-Marke natürlich nichts mit dem gleichnamigen Virus zu tun – der Name bedeutet einfach „Krone“ und ist eine der bekanntesten Marken der USA, obwohl das Bier in Mexiko gebraut wird. Und das kam so: In den USA darf man erst mit 21 Jahren Bier trinken – in Mexiko mit 18. Das hat viele junge Amerikaner dazu motiviert, Urlaub an den Stränden des Nachbarlands zu machen, wo sie das Corona-Bier auch noch relativ preisgünstig kaufen können. Als „Beach in a Bottle“ wurde das Corona-Bier dann der Kult mit der Limetten-Spalte im Flaschenhals. Seit mehr als 20 Jahren ist Corona das meistverkaufte Importbier auf dem US-Markt, auf dem mengenmäßig immer noch die Biere mit geringem Aroma- und Geschmacksprofil dominieren. Vordem war übrigens Heineken, das sich bekanntlich ebenfalls durch hohe Drinkability bei geringer Vollmundigkeit und Bittere auszeichnet, das meistverkaufte Importbier in den USA. Das bestverkaufte Bier – in USA und weltweit – ist bekanntlich Budweiser (kurz „Bud“) und seine schlankere (aber nicht alkoholärmere) Version Bud Light.
Dazu muss man wissen: Anheuser-Busch war vor Gründung des AB-Ibev-Konzerns seinerseits Inhaber der Marke Budweiser, die in St. Louis, Missouri, im Jahr 1876 erstmals gebraut wurde – schlanke 19 Jahre bevor die uns bekannte Budweiser-Budvar-Brauerei in der damals zu Österreich-Ungarn gehörenden Stadt Budweis gegründet wurde. Die Tschechen haben hierzulande die älteren Rechte (und eine sehr starke Marke), weltweit aber kann das amerikanische Bud darauf pochen, zuerst dagewesen zu sein.
APROPOS TSCHECHISCHES BIER: Die bekannteste tschechische Marke, Pilsner Urquell, ist ebenfalls oft kopiert worden – all die Biere, die wir als Pils, Pilsner oder Pilsener kennen, haben ihre Gattungsbezeichnung aus der Pilsner Urquell Brauerei in Pilsen. Auch diese Stadt war österreichisch, als im Jahre 1842 die brauberechtigten Bürger ihre eigene Brauerei eröffnet haben. Damals gab es noch keinen Markenschutz – und alle späteren Versuche, anderen Brauereien das Brauen von Pils (vor allem aber den Verkauf von Pils unter dieser Bezeichnung) zu untersagen, sind gescheitert. Ebenso die Versuche, den Pilsner Bierstil irgendwie verbindlich zu machen, weshalb beim World Beer Cup und anderen Wettbewerben stets mehrere Stilrichtlinien für verschiedene Interpretationen des Pils aufliegen: Immerhin versteht man bei uns in Österreich etwas ganz anderes unter einem Pils als irgendwo in Asien oder Amerika. Und das „Bohemian Style Pilsner“ ist ohnehin eine Sache für sich: Es ist niedriger vergoren als deutsches Pils, damit einen Tick vollmundiger und runder im Geschmack, die Bittere ausgeprägt, aber weniger scharf. Und im Fall des Pilsner Urquell kommt auch noch die leicht butterige Diacetyl-Note hinzu, die in den meisten anderen Bieren als Geschmacksfehler angesehen würde, hier aber zur Harmonie beiträgt.
Václav Berka, der langjährige Braumeister bei Pilsner Urquell (und selber Sohn eines früheren Braumeisters), versichert, dass das Pilsner Urquell so schmeckt wie es das seit der Zeit des legendären ersten Braumeisters Josef Groll, der 1842 hier die Untergärung eingeführt hat, tut. Gebraut werde es jedenfalls nach demselben Rezept, Dreimaischverfahren mit direkt befeuerter Maischepfanne inklusive – dass die offene Bottichgärung und die Reifung in liegenden Fässern nur im Schaukeller und nicht mehr in der großtechnischen Produktion passiert, das lassen wir mal beiseite.
Auch die Brauerei in Pilsen ist längst nicht mehr unabhängig: Nach Verstaatlichung unter dem KP-Regime und anschließender Privatisierung landete sie (auf mehreren Umwegen) zusammen mit weiteren starken tschechischen Marken wie Radegast, Gambrinus und Velkopopovický Kozel beim japanischen Asahi-Konzern. Auch Asahi kennt man in Österreich wenig – dass zum Konzern auch das italienische Peroni-Bier oder das in Pubs weit verbreitete englische Fuller‘s gehört, sei hier nur der Vollständigkeit halber angemerkt. Wirklich bedeutend wurde Asahi in Japan mit der Entwicklung des „Super Dry“ – einem Bierstil, der hierzulande für Verwirrung sorgen könnte, weshalb man das Asahi Super Dry allenfalls in Sushi-Bars findet. Denn der Bierstil „Dry Beer“ hat es im deutschen Sprachraum immer schon schwer gehabt. Man stelle sich die Verwirrung vor, wenn man bestellt: „Ein Dry Beer, bitte!“ Mit vollem Recht würde die Servierkraft fragen, ob man nun ein Bier oder drei Bier haben möchte – oder ob man sie überhaupt auf die Schaufel nehmen wolle. Und dazu die Vorstellung: Dry Beer – trockenes Bier! Der durchschnittliche Bierkonsument denkt an Bierpulver. Denn anders als bei Weinen, wo offenbar jedermann klar ist, was trocken bedeutet, hat sich auch der deutschsprachige Begriff in Bierbeschreibungen erst vor wenigen Jahren etabliert und ist längst noch nicht an allen Theken angekommen. Also sicherheitshalber die Definition: „Trocken“ meint bei einem Bier, dass kein malzig-süßer Ton im Nachtrunk zu schmecken ist – es bleibt der Eindruck, dass man eigentlich noch durstig ist, erhalten. Der trockene Effekt kommt vom hohen Vergärungsgrad des Bieres: Je mehr vom Malzzucker zu Alkohol und Kohlensäure abgebaut worden ist, desto weniger Restsüße ist im Bier zu schmecken. Solche extrem hoch vergorenen Biere waren zunächst einmal für Diabetiker erfunden worden: Im deutschen Sprachraum hießen sie dann „Diätbier“ – was noch weniger sexy klingt als „Dry Beer“ und inzwischen von der EU verboten wurde, weil man in Brüssel dagegen ist, positive gesundheitliche Effekte bei alkoholhaltigen Getränken auszuloben.
Im Englischen kannte man derartige Probleme nicht: Da wurde das Attribut „Dry“ bereits in den 1940er-Jahren für weniger vollmundig schmeckende Biere verwendet. Den Durchbruch schafften Bierstil und Bezeichnung allerdings in Japan. Dort haben Asahi Breweries im Jahr 1987 das „Asahi Super Dry“ auf den Markt gebracht und diesen damit ordentlich durcheinandergewirbelt. War man bis dahin in Japan eher vollmundige Lagerbiere – ähnlich unserem Märzenbier – gewohnt, so griff man nun begeistert zum schlankeren Bier: Es ist sehr hoch gespundet und entsprechend spritzig, hat wenig Körper und eine milde Hopfung. Mitgespielt hat dabei allerdings eine Umstellung der Ernährungsgewohnheiten: In den 1980er-Jahren haben die Japaner (unterstützt von massiven Regierungskampagnen) ihre traditionell salzreiche Kost auf weniger Natrium umgestellt – und da passte das Super Dry eben viel besser dazu.
Dieses Bier hat mit dem schon erwähnten amerikanischen Bud, dem Corona und dem Heineken gemeinsam, dass es sehr leicht zu trinken ist – vor allem für Konsumenten, denen intensiver Biergeschmack eben zu aufdringlich wirkt.
VIELE BIERTRINKER MÖGEN DEN GESCHMACK VON BIER NICHT. Das mag für den wirklichen Bierliebhaber überraschend sein, ist aber durch Marktforschung gut belegt. Man muss auch sehen, dass viele Biertrinker den Geschmack ihres gewohnten Bieres sehr gerne haben – aber auf Biere mit stärkerem oder schwächeren Geschmack sehr skeptisch reagieren.
Wer etwa auf ein Bier wie das oberösterreichische Zipfer eingetrunken ist, wird das im Alkoholgehalt um gut einen Prozentpunkt stärkere Spezialbier aus der Brauerei in Egg im Bregenzerwald tendenziell als zu vollmundig und stark empfinden – während umgehend der durchschnittliche Vorarlberger Konsument die Biere aus den östlicher gelegenen Bundesländern tendenziell als zu leer und schwach empfinden dürfte. Die Vorarlberger trinken in hohem Maß regional – selbst innerhalb des kleinen Bundeslands: Im Bregenzerwald dominiert das Egger Bier (nicht zu verwechseln mit jenem aus der viel größeren Egger Brauerei in Niederösterreich, die eben dort ihren Heimatmarkt hat), im Rheintal Mohrenbräu, im Oberland Fohrenburger. Neun von zehn Bieren, die in Vorarlberg getrunken werden, sind auch von den vier im Bundesland heimischen gewerblichen Brauereien gebraut worden. Etwas stärker sind diese landestypischen Biere, etwas intensiver auch im Geschmack – eben Spezialbiere. Vorarlberg ist die einzige Region Österreichs, in der dieser Stil dominiert.
Wer zu der erwähnten Gruppe von Biertrinkern gehört, die den Geschmack von Bier nicht mögen, wird sich also in Vorarlberg schwertun – verbreitet dürfte diese Haltung hier ohnehin nicht sein. Dennoch muss man als Biertrinker froh sein, dass nahezu alle großen Brauereikonzerne den Weltmarkt mit extrem leicht zu trinkenden Bieren geflutet haben: Denn es waren Biere wie das amerikanische Bud, die in den 1980er-Jahren die neue Craftbier-Szene auf den Plan gerufen haben. Damals haben amerikanische Hobbybrauer versucht, geschmacksintensive (teilweise: extrem geschmacksintensive) Biere als Gegenstück zu den marktgängigen Bieren mit hoher Drinkability für den Hausgebrauch zu brauen. Und weil das nicht nur ihnen, sondern auch ihren Freunden geschmeckt hat, haben sich viele dieser Hausbrauer professionalisiert. Noch um 1990 gab es in den USA viele Microbreweries, die ihre Craftbiere tatsächlich in der Garage gebraut und für Selbstabholer bereitgestellt haben.
DER TREND ZUM HEIMBRAUEN ist dann auch nach Europa geschwappt – und speziell in Vorarlberg auf fruchtbaren Boden gefallen: Hier gab es von Anfang an eine enge Verbindung, die die Vorarlberger Brauwirtschaft zu der hier besonders aktiven Hobbybrauer-Szene pflegt. Diese belebt eine Tradition, die es gab, ehe man von Craftbier gesprochen hat: Im Museum der Mohrenbrauerei gibt es eine Abhandlung, dass in Lech ein gewisser Christian Wolf 1826 eine Brauerei für den Eigenbedarf betrieben hat, ebenso wird von einem Brauer namens Felder in Holzgau gesprochen. Wolfs Gewerbe umfasste eine Wirtschaft, Bäckerei und Krämerei – auch damals also gab es einen Zusammenhang zwischen Back- und Brauwerk. Und eben das eine oder andere Bier, das für den Eigenbedarf gebraut, aber dann auch an gute Freunde ausgeschenkt wurde.
Wer daheim zu seinem Vergnügen Bier braut, kann sich meist auf den Rat professioneller Braumeister stützen – und umgekehrt. Hobbybrauer aus Vorarlberg haben mit ihren Bieren nicht nur die Juroren von Hobbybrau-Wettbewerben überzeugen können, sondern auch professionelle Brauer, die Anregungen aus der Szene aufgegriffen haben, um eigene Produkte auf den Markt zu bringen. Zum Beispiel in Frastanz. Diese Marktgemeinde hat knapp sechseinhalbtausend Einwohner – aber zwei Brauereien. Die eine ist die 1902 gegründete Brauereigenossenschaft, sie kennt man zumindest in Vorarlberg sehr gut, einige ihrer Biere gelangen aber auch bis nach Wien. Die andere ist jünger: Die „Hopfenkocher“ haben 2012 zusammengefunden und bezeichnen sich augenzwinkernd als „Zweitgrößte Brauerei in Frastanz. Mit Abstand.“ Aber die Kleinen, mehrfach ausgezeichnet mit Staatspreisen bei der Austrian Beer Challenge, befruchten irgendwie die Mittelständler. Und herausgekommen ist ein Bier, das nun als „Red Stone“ vermarktet wird. Verbraut wird dafür Einkorn vom Bio-Hof Vetter in Lustenau, der 25 Prozent der Malzschüttung darstellt und für die rötliche Bernsteinfarbe und für das an frisch geerntetes Getreide erinnernde Aroma verantwortlich sein dürfte. Der Schaum ist leicht cremefarben, recht kompakt und liegt über einem zunächst mit mildem Prickeln erfrischenden Bier, das im Mund eine angenehme Vollmundigkeit entwickelt, ehe es langsam die Hopfenbittere durchscheinen lässt und mit einem trockenen Nachtrunk endet.
Tatsächlich gibt es für solche intensiv schmeckenden Biere einen regionalen Markt – und es gäbe wohl auch einen überregionalen, aber dieser ist hart umkämpft; und Preisschlachten tun dem Image von Bier nicht gut. Das steckt auch hinter dem Konzept der Omes-2557-Brauerei in Lech: Clemens Walch hat seine Brauerei im noblen Hotel Gotthard nach dem 2557 hohen Omeshorn, dem Hausberg von Lech benannt – und hält hier alles exklusiv und edel. Das beginnt mit dem Ambiente in Brauerei und Verkostungskeller und reicht bis zu den höchst eleganten Flaschen, die schon im Einkauf viel teurer sind als normale Bierflaschen, dafür aber als Sammlerstücke bei den Bierfreunden fast Kultstatus genießen. Und der Inhalt? Da wurde sehr kreativ experimentiert. Für den Bierguide 2020 wäre etwa das Heubier ein Kandidat für die prestigeträchtige Auszeichnung einer Bierinnovation des Jahres gewesen. Aber da hat der Brauerei der Lebensmittelinspektor einen Strich durch die Rechnung gemacht: Heu ist als Bierzutat verboten, denn mit dem Heu werden allerhand Kräuter mitgemäht; diese bringen zwar tolle Aromen, aber eventuell auch Gift ins Bier. Gut, also: keine giftigen Kräuter im Bier, daher lohnt ein kräftiger Schluck vom Pale Ale.
DAS BREITESTE ANGEBOT von in Vorarlberg gebrauten Craftbieren aber bietet aber die Mohrenbrauerei in Dornbirn: Nach US-Maßstäben würden alle ihre Biere als Craftbier gelten, in der engeren Publikumserwartung wären es aber eher Biere wie das Witbier „Bütenweiß“ oder der „Pfeffersack“ und der im Barrique-Fass ausgebaute Festbock.
Und damit zurück zum Sternbräu und zu Gunther Wetzel: Als junger Brauer ist er mit dem Lkw bis nach England gefahren, um spezielle Biere zu finden und nach Vorarlberg zu importieren – statt mit den früher in Rankweil gebrauten Bieren haben Vater Gernot und Sohn Gunther Wetzel jahrzehntelang neben der Gastwirtschaft einen Bierspezialitätenhandel betrieben und so den Vorarlberger Markt für neue Biergeschmäcker erschlossen. Das Sternbräu ist seit August 2020 Geschichte – zumindest ein Teil des Angebots ist in den Engel übersiedelt, auch ein Biershop wurde aufgebaut. In absehbarer Zeit soll es auch in Rankweil wieder ein Sternbräu geben, die Markenrechte liegen ja bei der Familie Wetzel – für einen Abgesang gibt es, wie versprochen, keinen Grund.