Bio Austria-Experte Otto Gasselich über chinesische Teiglinge, die zu heimischen Weckerln werden können und perfekte Prüfsysteme, die so etwas verhindern.
“Das Mehl für unser Gebäck stammt aus einer österreichischen Mühle.” Wenn der Supermarkt Ihres Vertrauens so ein Versprechen abgibt, dann ist es Zeit, hellhörig zu werden. Bio Austria NÖ und Wien-Obmann Otto Gasselich fragt in solchen Fällen gern mal nach dem Ursprung des Mehls, und erntet dann fragwürdige Antworten wie “Österreich, oder?” Gefolgt von einem Goderl-Kratzen. “Niemand weiß, ob wirklich österreichischer Weizen der Grundstoff für den Supermarkt-Kornspitz ist. Dahinter könnte auch ein chinesischer Teigling stecken. Wenn in Hamburg rund 300 Millionen Teiglinge aus China ankommen, landet mit Sicherheit auch ein Teil in Österreich”, sagt Gasselich. Tatsächlich dürfte da was dran sein. Denn laut dem deutschen Statistischen Bundesamt werden jährlich 18.000 Tonnen Teiglinge aus China nach Deutschland importiert. Das entspricht über 280 Millionen Weckerl. Sicherheit gibt es im konventionellen Bereich keine. “Wie auch, ohne Prüfsysteme?”, so Gasselich , der selbst einst konventionelles Feldgemüse produzierte.
Von der Zwiebelfrage zur Wertschöpfungskette
Dann kam die Sache mit den Zwiebeln. “Ich habe mich gefragt, ob ich meinen Kindern meine Zwiebeln noch zu essen geben will.” Die Antwort? “War ein klares nein.” Von da an war die Sache mit der konventionellen Landwirtschaft gegessen für ihn. Und zwar noch am selben Tag. Gasselich ist konsequent. Heute werkt er an vorderster Front bei Bio Austria und das ausgeklügelte Kontrollsystem des Verbandes ist sein persönliches Lieblingsthema. Generell werden Biobetriebe einmal jährlich kontrolliert. Aber, und das ist mindestens genauso wichtig, findet Gasselich, bei Bio Austria gibt es auch entlang der gesamten Wertschöpfungskette Prüfungen. Will heißen: Jeder Schritt wird kontrolliert. Und zwar vom Getreide-Aufkäufer, über die Mühle und den Bäcker bis Endprodukt. Nur so kann man sich absolut sicher sein, dass das Weckerl, in das man gerade beißt, tatsächlich aus österreichischem Bio-Getreide stammt. Vertrauen sei das A und O. Die Kontrolle behält man unter anderem mit Hilfe eines stetigen Mengenabgleichs. Dass alle Beteiligten zertifiziert sein müssen, versteht sich von selbst. Gasselich spricht von einem “Schweif an Kontrollen” und einem “unglaublichen Aufwand”, der sich am Ende aber lohne. Probleme? Kann er sich schon jahrelang an keine mehr erinnern. Lediglich an eine paar Schlampigkeitsfälle in der Dokumentation. Die nerven zwar ungemein und machen Arbeit, aber am Ende des Tages zählt ja, dass nicht konventionell drin ist, wo Bio drauf steht.
Regional ist nicht gleich Qualität
Das Herkunftssystem mit exakter Mengenflusskontrolle funktioniert, wie sich täglich beweist. Dass in keinem anderen Bereich damit gearbeitet wird, ärgert den Bio Austria-Experten. Insbesondere dem Attribut “Regional” kann er abgesehen von den kurzen Transportwegen wenig abgewinnen. “Der Begriff ist absolut überhöht und sagt nichts über die Qualität des Produktes, geschweige denn steckt ein Herkunftssicherungs-System dahinter.” Tatsächlich lässt es sich nicht nur beim Bäck ums Eck nicht nachvollziehen, ob ihr Salzspitz einst ein chinesischer Teigling war oder das Mehl dafür aus Rumänien stammt. “Auch ein Fleischhacker muss nicht deklarieren, was er wo zukauft und verwurstet. Niemand kontrolliert das, keiner weiß, woher die Zutaten wirklich kommen. Sicher kann man sich nur bei Verbandsware sein.” Aus genau diesem Grund findet Gasselich es auch “witzig” von Wirten zu verlangen, “regional” einzukaufen.
“Mit dem Begriff regional versucht man bei uns alle Unterschiede und Differenzierungen zwischen den verschiedenen Wirtschaftsweisen glatt zu bügeln.”
Pingeligkeit in allen Bereichen
Bei Bio Austria zeigt sich die erwähnte Pingeligkeit dagegen in jedem Bereich. Nehmen wir das eingesetzte Bio-Futter: “Dafür muss kein einziger Quadratmeter Regenwald irgendwo abgeholzt werden. 95 Prozent der gesamten Eiweißversorgung kommt aus Österreich.” Was auf 100 Prozent noch fehlt? Sonnenblumenextrakt. “Den kaufen wir noch zu, aber auch das kriegen wir bald in Griff.” Selbst beim Kompost macht man es sich nicht einfach. Der muss nicht nur eine bestimmte Qualität haben, es muss auch nachgewiesen werden, woher er kommt. “Woher kommt der konventionelle Dünger, der Phosphor, das Kali, der Stickstoff, die Pestizide?”, fragt Gasselich an dieser Stelle zu Recht. In Österreich, sagt er, gibt es wenig Bewusstsein dafür. Könnte er den konventionellen Kollegen eines ans Herz legen? “Dann wäre das, sich auch mit spannenden Querdenkern wie Hans Zaller (Autor von “Unser täglich Gift”) oder Martin Grassberger (Autor von “Das leise Sterben” zu beschäftigen, sie als Referenten einzuladen und sich zum Nachdenken bewegen zu lassen.” Ein inspirierendes Beispiel finde sich derzeit in Frankreich: “Da haben sich vor einiger Zeit 6.000 konventionelle Betriebe zusammengeschlossen, die pestizidfrei arbeiten.”
Und das Tierwohl?
“Tierwohl bedeutet im Biobereich, dass man den Tieren über alle Tierkategorien hinweg einen Standraum zugesteht, der den Tieren erlaubt, seine angeborene Bewegungsfreiheit und den angeborenen Spieltrieb auszuleben”, so Otto Gasselich. Und dann wird’s am Schluss noch philosophisch: “Wenn wir Lebensmittel genießen, egal ob Eier, Milch oder Fleisch, dann sollten wir danach trachten, die Tiere davor mit positiver Energie aufzuladen. Wenn sie auf engem Raum zusammengepfercht sind oder auf Vollspalten-Böden leben müssen, was ist das für ein Leben? Welche Energie entwickeln sie? Und was bewirkt das in unserem Körper, im Magen, in den Därmen?” Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
ÜBER BIO AUSTRIA
Bio Austria ist das Netzwerk der österreichischen Biobauern. Als größter Bio-Verband in Europa repräsentiert er die österreichische Bio-Landwirtschaft und vertritt die Interessen von 13.500 Mitgliedern und mehr als 400 Partnerunternehmen in der Wirtschaft. Ende letzten Jahres feierte man das 40jährige Bestehen. Mehr Infos gibt es unter www.bio-austria.at